Odyssee der Arbeitsbibel der Großloge Royal York zur Freundschaft.

Kurzzeichnung aufgelegt am 31. Oktober 2007 – Br. G.L. – Orient Berlin

 

Im Frühjahr 1935 wurden alle Logen aufgefordert, sich aufzulösen um nicht zwangsweise aufgelöst zu werden. Der Druck der braunen Machthaber wurde verstärkt und so musste eine für den 07. Juli 1935 einberufene außerordentliche Großlogenversammlung die Auflösung der Großen Loge Royal York zur Freundschaft mit Wirkung zum 15. Juli 1935 beschließen.
Alle damals noch arbeitenden Tochterlogen, es waren 109, fassten kurz darauf die gleichen schmerzlichen Beschlüsse.

Am Abend des 16. Juli 1935 fand dann die Schlussfeier statt. Es war die letzte Logenarbeit die in unserem Haus in der Dorotheenstraße stattfand.
In den Folgejahren wurde das Haus von den braunen Machthabern ausgeplündert, die Kunstwerke verteilt oder beschädigt und vieles zerschlagen und vernichtet. Vom Geheimen Staatspolizeiamt wurden Anweisungen gegeben, wie mit dem Inventar zu verfahren ist. So sollte vermieden werden, dass kunst- oder kulturhistorisch Wertvolles vernichtet wird. Es sollten aber alle Kennzeichen freimaurerischen Ursprungs entfernt werden.
Und doch geschehen noch heute kleine Wunder. Durch intensive Nachforschungen in den letzten Jahren, tauchen nach und nach Gemälde und Kunstgegenstände wieder auf und werden an die Große Loge Royal York zurückgeführt.
Nach der Restaurierung und Freilegung freimaurerischer Kennzeichen, fanden auch einige Gemälde wieder Platz hier im Logenhaus in der Emser Straße.
 
Heute möchte ich Euch, geliebte Brüder, über ein weiteres „Wunder“ so kann man es nennen berichten:
Vermutlich im Jahre 1935 betrat ein junger angehender Kunsthistoriker, nennen wir ihn Herrn L. im Zuge der Auflösung und Beschlagnahme des Logeneigentums, in Begleitung des damaligen Liquidators das Logenhaus. Er entdeckte die Logenbibel und fand anscheinend Gefallen daran. Der Liquidator bot ihm an, die Bibel mitzunehmen, da sie sonst zerstört oder vernichtet werden könnte. Er verbarg sie unter seinem schwarzen Trenchcoat und schaffte sie so beiseite und in seinen Privatbesitz.
Der vermutlich auf die Große Loge Royal York verweisende „EX LIBRIS“ – Kleber wurde abgelöst!

Später, als Kunsthistoriker und Mitarbeiter am Landesmuseum Stuttgart nahm Dr. L. an vielen kunsthistorischen Reisen teil. Diese Reisen wurden von Br. E. Z. Reisebüro durchgeführt. Etwa 1976 zeigte Dr. L. Br. Z. die Bibel und berichtete, wie sie in seinen Besitzt gelangt ist.
Br. Z. erkannte die Brisanz, berichtete seinen Logenbrüdern darüber, bekam aber keine Resonanz. Man ging davon aus, dass wenn es die Große Loge Royal York überhaupt noch gibt, diese dann im sowjetisch besetzten Ostteil Berlins zu finden ist.

 

 


Die Bibel

 

Im Jahre 1983 verstarb Dr. L. Dennoch hat Br. Z. niemals den Gedanken an die Logenbibel aufgegeben. Er pflegte weiterhin losen Kontakt zur Witwe des verstorbenen Dr. L. und sprach sie immer wieder auf die Bibel an.

 

Im Oktober 2002, also vor genau 5 Jahren, fanden Br. . und ich, dank der Brr. E. M. und C. M., den Kontakt zueinander und bemühten uns um die Herausgabe der Bibel. Jeder auf seiner Art!

 

Es gab Stimmen, die meinten, man müsse mit Hilfe von Anwälten vorgehen. Andere glaubten, mit Geldzahlung, eine sog. Aufbewahrungsgebühr, etwas zu bewegen.
Ich habe es einfach durch Beharrlichkeit, Ausdauer und Überzeugungsarbeit versucht, zumal die Nachkommen von Dr. L. die Geschichte der Bibel nicht kannten und der Meinung waren, es sei ihre Familienbibel. Weitere Einzelheiten erspare ich Euch.
Lange Rede, kurzer Sinn. Nachdem die Familie L. überzeugt werden konnte, bekam ich am 02. September 2007 die Nachricht, die damit endet: „Wir sind alle froh, wenn die alte Logenbibel ihre Heimat wieder gefunden hat“.

 

Am 18. September 2007 konnten Br. Z. und ich die Bibel bei der Witwe des Dr. L. Abholen. Dies war für mich persönlich ein sehr bewegender Tag.
Gehen wir davon aus, dass diese Bibel aus dem Jahre 1630 bereits um 1760, als die Loge l’Amitie zum ersten Mal arbeitete, aufgelegt wurde. Bei der Teilung der Mutterloge Royal York in ihre 4 Tochterlogen im Jahre 1798 waren es ca. 800 Brr. Gehen wir davon aus, dass alle 800 Brüder und die, die ihnen bis 1935 folgten, ihren Eid auf diese Bibel abgelegt haben. Dieser Gedanke erfüllt mich mit tiefer Ehrfurcht.
Ich bin Br. Z. für seinen unermüdlichen, beharrlichen Einsatz zutiefst dankbar und stolz, diese Bibel wieder zurück gebracht zu haben.

 

Nach nunmehr über 72 Jahren dunkler Zeit kann diese Bibel wieder in unserem Tempel aufgelegt werden.
Möge sie, wie es in unserem Ritual heißt, unseren Glauben leiten und richten.